Montag, 30. April 2007

Orientierungslauf, Theater, Krawalle und Verwirrung

Hier dann also der zweite Versuch. Ich habe (oder sagen wir: hatte gestern) das Gefühl, einen Beitrag schreiben zu wollen und auch das Gefühl, dass dieser lang wird, wenn ich einmal damit anfange. Der jetzt wird natürlich nicht mehr halb so toll wie das Meisterwerk gestern, aber was solls. Besser als gar nix. Das wichtigste und komplizierteste Thema schieb ich mal ganz an den Schluss und fange mit etwas sehr leichtem an: JAMMERN. Das kann ich bekanntlich gut. Letzte Woche wurde ich gefragt, ob ich an irgendetwas teilnehmen wolle, das mit Wald zu tun hat. Ok, ich gebe zu, ich habe nicht besonders aufgepasst worums ging, aber mir gedacht, dass das wohl kaum so schlimm werden kann. Ausserdem kann ich ja sowieso nie nein sagen, wenn ich gefragt werde, ob ich bei irgendwelchen Drecksaufgaben im Namen der Klasse mitmachen will. Montag Morgen wies mich meine Gastschwester darauf hin, meine Sportsachen mitzunehmen... schon zu diesem Zeitpunkt hätte ich eine böse Vorahnung haben sollen. Wäre das der Fall gewesen, hätte ich auch nur ansatzweise vermuten können, was auf mich zukommt, hätte ich mir beim Stolpern auf der nächstbesten Treppe oder unvorhergesehenen Bodenunebenheit das Bein gebrochen. Doch nein. Nach der vierten Stunde haben sich dann alle Teilnehmer draussen auf dem Sportplatz versammelt. Zum Orientierungslauf. Nun bitte meinen inneren Aufschrei und das mich-in-Gedanken-selbst-ohrfeigen vorstellen. Das Wetter muss erwähnt werden: knapp über null Grad, Regen und Schneeregen. Es lief darauf hinaus, dass wir durch die herrlich schlammige Natur Karksi-Nuias rannten, kletterten, rutschten und wateten. Der kalte Regen im Gesicht, die noch viel kältere Luft in den Lungen, die ständige Hektik (denn es war ja ein Wettkampf, ich meine klar, sowas ist schon wichtig!), Matsch bis zu den Knien, das Gefühl, sich vor Anstrengung gleich übergeben zu müssen, eine am andern Ende des Sees gelegene Station, die übersehen wurde, Angst und Schrecken beim Hoch- und noch viel schlimmer beim Runterklettern unverschämt steiler Hänge,... es war ein prägendes Erlebnis.
Nächstes Thema: vor 3 Wochen war hier in Karksi-Nuia ein kleines Festival, bei dem ein paar Theatergruppen aus ganz Viljandimaa (also meinem "Bundesland") zusammenkamen. In unserer Altersgruppe haben wir auch glatt gewonnen, weswegen wir dieses Wochenende dann in Kohtla-Järve beim estlandweiten Festival verbracht haben. Dort war dann ne Gruppe aus jedem maakond (also wieder "Bundesland") vertreten, allerdings waren die Stücke zum grössten Teil furchtbar langweilig, sinnlos oder schlecht. Hätte sich die Jury dieses Jahr nicht spontan überlegt, KEINE Plätze zu vergeben wie sonst immer, hätten wir gewonnen... uns wurde nämlich dann so unterm Tisch von Jurymitgliedern gesteckt, dass unser Stück mit Abstand das beste, interessanteste und sowieso allertollste ;-) war. Die Siegerfreude blieb aber irgendwie aus, weil alle verwirrt davon waren, dass keine Platzvergabe stattfand und wir von unserem inoffiziellen Sieg erst später erfuhren. Naja, trotzdem gut, eks?
Nun zur galanten Überleitung zum dritten Thema mithilfe eines Wikipedia-Zitats: Ungefähr 20 % der Einwohner (Kohtla-Järves) sind Esten, Russen und andere russischsprachige Nationalitäten machen 80 % der Bevölkerung aus. Ich weiss nicht genau, wie viel ihr davon mitbekommt, aber hier in Estland gehts seit kurzem in ein paar Städten ganz schön rund. Für alle Unwissenden, HIER ein zusammenfassender Bericht. Bilder wie in DIESEM Video waren hauptsächlich in Tallinn zu sehen, aber auch beispielsweise in Jõhvi oder -und nun zum Zusammenhang mit meinem Thema No.2- Kohtla-Järve. Als wir Freitag ankamen, erzählte uns so eine Tante von der Stadt, wie ruhig es hier doch immer zuginge, die Leute freundlich und friedlich, nie irgendwelche Probleme. Am Abend dann per Radio die Nachricht einer grossangelegten Schlägerei in Kohtla-Järve, irgendwie fast lustig. Direkt was davon mitbekommen haben wir nicht, denn übernachtet haben wir in einem Ort 7 km entfernt. Wir wurden nur (schon bevor es auch in unserer direkten Umgebung etwas ernster wurde) wiederholt darauf hingewiesen, keinen Blödsinn anzustellen, nicht gewollt mit Ortsansässigen anzuecken, verschieden aufzufassende Äusserungen in der Öffentlichkeit sein zu lassen, kurz: bitte lieb und unauffällig verhalten. Allein rumlaufen (das heisst ohne Aufsichtsperson) durften wir auch nicht mehr, nicht mal zum Supermarkt. Die estnische Regierung hat mir auch noch ne SMS geschickt, in der es heisst, ich solle bitte zu Hause bleiben und nicht auf Provokationen eingehen. Gleich zwei Mal. Ausserdem wird im Moment kein Alkohol mehr verkauft, und das will wirklich was heissen. Im Grunde genommen geht es überhaupt nicht um dieses blöde Denkmal. Ok, für manche vielleicht, aber ich glaube, dass das viel mehr der Anlass als der Grund für die Krawalle ist. Jetzt werden die Leute mal aufmerksam auf die Situation hier. Sollte man meinen. Tatsächlich reagieren die meisten Esten mit blindem Hass auf Russen, schliesslich sind sie ALLE gewalttätige, kriminelle, dumme Menschen und sollen gefälligst in ihr eigenes Land. Dass für viele, die zwar ursprünglich aus Russland stammen und Russisch als Muttersprache haben, trotzdem Estland das Land ist, in dem sie aufgewachsen sind, scheinen nicht viele Esten verstehen zu wollen. Ebenso wird geschickt ignoriert, dass bessere Integration bessere Sprachfähigkeiten zur Folge hätte. Andererseits. Kann ich auch nachvollziehen, dass sich bei zu wenigem Nachdenken leicht Unmut bei Esten breitmachen kann. Im Kohtla-Järve Supermarkt wurde ich automatisch auf Russisch bedient, daran änderte auch ein TERE meinerseits nichts, worauf die Antwort wirklich nicht schwer gewesen wäre. Ich kann meine Gedanken zu dem Thema einfach nicht wirklich ordnen...Ich habe das Gefühl, dass hier in Estland bald ne Veränderung (welcher Natur auch immer) vorgehen könnte und finde es spannend, dabei zu sein.

PS: Weils mir gerade einfällt. Aal, die CDs kommen bald. Teresa, DANKE für Brief und Karte, ich nehm mir ständig vor, drauf zu antworten.

Ach nochwas.
Anzahl der in der letzten Woche gesehenen Störche: 4.
Davon in seinem Nest: 1.
Sind die in Deutschland echt sowas Besonderes?

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